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Kolumne

STEUERN UND KUNST - EIN ZUSAMMENHANG OHNE VERBINDUNG ?

Tja, ich sage, wie es ist :

spontan kann ich mit dem Thema nichts anfangen, mir fällt einfach nichts substanzielles ein zum Verhältnis von Steuern und Kunst. Selbst die journalistische Kleinform der Kolumne scheint für mich zu groß zu sein.

Kurzer Rede langer Sinn : meine Meinung zum Thema Steuern und Kunst ist nicht nur von Unkenntnis geprägt. Auch Emotionen, Gefühle oder Empfindungen kommen im entsprechenden Kontext bei mir nicht auf.

Aber, und das könnte es sein : diese urteilslose, und damit gleichzeitig auch vorurteilslose Basis ermöglicht ja vielleicht einen schrankenlosen Blick auf die Situation.

Und zusammen mit der schönen Heinrich von Kleist Maxime des allmählichen Verfertigens der Gedanken beim Sprechen werden dann plötzlich Fragen möglich, die jeder normale Bierdeckelsteuerbefürworter gar nicht erst zulassen würde.

Etwa derart: Wie kann Kunst besteuert werden, wenn niemand sagen kann, was Kunst eigentlich ist ?

Der eine mag zum Beispiel das Leonardobild der Mona Lisa für das größte, wertvollste und teuerste Kunstwerk aller Zeiten halten. Sind bei dessen Kauf, respective Verkauf, eigentlich irgendwelche Steuern angefallen? Sorry, ich bin wie gesagt ziemlich unbeleckt in entsprechenden steuerrechtlichen Details. Zumal wir uns in diesem Fall zusätzlich nicht nur auf historischem sondern auch noch auf  französischem Terrain befinden.

Daran anschließend direkt die nächste Frage : gibt es, oder gab es, eigentlich eine, sagen wir profane Übernahmesteuer, also eine Steuer auf Dinge, Güter und  Besitztümer, die, durch welche Umstände auch immer, von Nachfolgern übernommen wurden ?  Das Bild ist ja zunächst von Leonardo persönlich kurz vor seinem Tod im Jahre 1519 an den französischen König Franz I. verkauft worden. Von dessen Residenz in Amboise ´gelangte´ es dann über Fontainebleau in die Sammlung Ludwigs des XIV. nach Versailles, wurde nach der Revolution in den Louvre ´überführt´, von dort durch Napoleon für sein persönliches Schlafzimmer ´übernommen´ um nach dessen Verbannung wieder im Louvre zu ´landen´.

Daran schließt sich fast nahtlos die nächste Frage an: vielleicht gibt es ja neben einer profanen auch eine sakrale Übernahmesteuer ? Zum Beispiel wurden ja die  sterblichen Überreste der Heiligen Drei Könige zwar nicht direkt aus dem Morgenland, aber direkt aus Mailand nach Köln überführt. Friedrich Barbarossa  hatte sie 1164 nach der Eroberung Mailands in der zerstörten Stadt ´gefunden´ und sie dem Erzbischof Rainald von Dassel für Köln ´mitgegeben´. Dort sind sie seither als wertvoller Reliquienschatz hoch geschätzt und nicht unbedeutend am Vermögensaufbau des Bistums beteiligt.

Wie gesagt, für den einen ist das Leonardobild das Wertvollste überhaupt, der andere sieht in ihm lediglich ein irgendwie mit Farbe bekleckertes Stück Holz hinter Glas. Wobei, möglicherweise, das Bild im Pariser Louvre ja nicht einmal das Original, sondern lediglich eine von mehreren Kopien ist. Zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts ( 1911 ) entfernte nämlich ein national beseelter italienischer Anstreicher das Bild aus dem Museum. Im Zuge der polizeilichen Ermittlungen geriet zum Beispiel auch Picasso ins Visier der Fahnder. Als Besitzer einer aus dem Louvredepot gestohlenen Figur war er in Verdacht geraten auch in den Diebstahl des Leonardos verwickelt zu sein. Beides konnte ihm vor Gericht nicht nachgewiesen werden. Zwei Jahre später wurde La Gioconda einem Kunsthändler in Florenz zum Kauf angeboten, der allerdings die Polizei einschaltete. Ein amerikanischer Journalist machte daraus die Story eines gewitzten Geschäftsmannes, der mehrere Duplikate erstellen ließ und jeweils als Original verkaufte. Die mit reinem, kann ich mir vorstellen, dunkelfarbigem Geld bezahlten ´Originale´ verschwanden in so tiefe Keller, daß sie bis heute nicht wieder aufgetaucht sind. Nur das Original konnte wieder ins Museum zurückkehren…

Vielleicht sollte man ja auch, wenn man schon nicht so richtig und letztendlich sagen kann, was Kunst ist, eine steuerrechtliche Differenzierung zwischen ´Original´ und ´Kopie´ einführen. Nicht wenige Museen und Sammler könnten so ihre unsicheren Depotkantonisten sinnvoll nutzen und steuerrechtlich geltend machen.

Und wie ist es, an diesen Gedanken anknüpfend,  eigentlich um eine Steuer auf künstlerischen Wertverlust bestellt? Gibt es so etwas? Wäre so etwas gut, ertragreich oder sinnvoll ?

Denn wer, zum Beispiel, kennt noch den Mann mit dem Goldhelm?

Über Generationen eine der größten Inkunabeln der Berliner Gemäldesammlung und als Ultima Ratio in jedem Kennerschaftsdiskurs fraglos gerühmt.

Dann fiel, nach einer Expertenexpertise, die persönliche Rembrandpatina, der Goldschimmer verschwand und das Bild landete im Depot. Heute kann man es zwar wieder im öffentlichen Sammlungsbestand der Gemäldegalerie als eines unter vielen betrachten. Aber nichts erzählt mehr vom Goldhype und unbedrängt von Selfieklicks und Zuschauergedränge kann man sich fragen: was ist es mir wert ? Bloß einen Augenblick im Vorübergehen oder fünf Minuten stiller Betrachtung, kunstbibliothekarische Recherchezeit oder gar eingehende Nachdenklichkeit?

Und der kunstinteressierter Finanzmensch, der seine Mittagspause im Museum verbringt, kann ja vielleicht auf die Idee mit der Wertverluststeuer kommen.

Falls es die nicht überhaupt schon gibt, ich weiß es nicht.

 

- Johannes auf der Lake